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Nachweislich ab 300 v. Chr. fand eine sporadische Besiedlung durch Kelten- und Germanenstaemme statt. In dieser Periode muss das Ruhrtal als nahezu vollstaendig bewaldet ange-sehen werden. Aus dem Holz der Waelder wurde Holzkohle hergestellt. Mit der Hitze der Holzkohlenfeuer, angefacht durch Wind oder Blasebalg, gelang es, aus dem Erz das Eisen zu schmelzen. Fuer die Herstellung von 1 kg Eisen wurden allerdings 125 kg Holz benoetigt. Daraus resultierte eine beginnende Waldrodung und erste landwirtschaftliche Nutzungen des Ruhrtales. Vom 9. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts findet eine zunehmende Besiedlung des Ruhrtales statt. Siedlungen (Hattingen, Hagen, Wetter) und bemerkenswerte Wehranlagen (z. B. Isenburg, Burg Blankenstein, Burg Volmarstein, Burg Werdringen) sowie Herrenhaeuser (z. B. Haus Bruch, Haus Kemnade) entstehen. Durch den Bau des "Kleinen Hellweg" ca. 995 n Chr. (von Koeln nach Soest) erlangten die Ruhrsiedlungen als Hansestaedte wirtschaftliche Bedeutung. Durch den enormen Bedarf an Baumaterialien (Steinbrueche, Alaungewinnung) werden ganze Huegel abgetragen. Bemerkenswert ist dabei der Ruhrsandstein', eine aufgrund der geologischen Gegebenheiten nur im Bereich des Ruhrtales gewonnenes Baumaterial mit hoher Druck- und Abriebsfestigkeit und einer hohen Verwitterungsbeständigkeit. An der Ruhr und ihren Nebenfluessen wird die oberflaechlich anstehende Kohle von Bauern abgegraben. Sie wird zum Heizen genutzt oder an die Eisenschmieden verkauft, wo die Steinkohle nach und nach die Holzkohle als Brennstoff abloest. Im Ruhrtal ueberdauert das Schmiedegewerbe bis in die vorindustrielle Zeit. Sichtbare Zeugnisse dieser alten Tradition sind zahlreiche Stauwerke, Umleitungskanaele, Teiche, Wasserraeder und Haemmer. Das Eisen, der Rohstoff fuer Waffen und Werkzeuge, werden in der noerdlich benachbarten Hellweg-Ebene gehandelt. Eigentlich sind Auenwaelder die typischen Waelder des Ruhrtales sowie Eichen- und Buchenmischwaelder die typischen Waelder des Rheinischen Schiefergebirges. Doch schon frueh verschwinden diese weitgehend, und die Ruhraue sowie die Hoehen und Haenge werden kahl. Gleichzeitig breitet sich ab dem 9. Jahr-hundert die landwirtschaftliche Nutzung innerhalb des Ruhrtales, vorwiegend als Gruenlandnutzung, stark aus. Im Hinblick auf die Landschaftsentwicklung veraendert sich die Gelaendemorphologie aufgrund dieses zunehmenden menschlichen Einflusses. Durch die Gewinnung des Ruhrsandsteins ,insbesondere an den Ruhrsteilhaengen um die grossen Quader nicht weit transportieren zu muessen, wurde die Ruhraue an verschiedenen Stellen kuenstlich erweitert. Wahrscheinlich wurden Steinbrüche nach Beendigung des Abbaus wieder verfuellt. Durch den 30-jaehrigen Krieg wurden viele Ruhrstaedte zerstoert, was eine wirtschaftliche Stagnation zur Folge hatte. Im 18. und 19. Jahrhundert schreitet die starke Veraenderung des Landschaftsraumes fort. Anfang des 18. Jahrhunderts faellt der Landschaftsraum zum Koenigreich Preussen. Als es um 1850 zum ersten Mal gelingt, auch aus Ruhrkohle Koks zu erzeugen und diesen dann zur Eisenherstellung zu nutzen, waechst entlang des Ruhrtales schon kaum mehr ein Baum. In dieser Phase erlangte die Handelsschifffahrt ihren Hoehepunkt. Die Ruhr erlangte dabei den Status des am staerksten befahrenen Flusses. Um die Ruhr schiffbarer zu machen wurde 1781 durch ein preussisches Edikt der Wasserspiegel angehoben. Die Schifffahrt erfolgte dabei stromabwaerts unter Segel, stromaufwaerts dagegen durch Muskelkraft. Dabei entstanden die sog. Leinpfade auf denen Menschen oder Pferde die Schiffe zogen. Reste dieser Leinpfade sind bis heute erhal-ten geblieben, so z. B. im Bochumer Sueden. Durch die Anhebung des Wasserspiegels war die bis dahin uebliche Querung der Ruhr mittels Furten nicht mehr moeglich. Deshalb wurden Faehren eingesetzt, um die Querung zu ermoeglichen. Der Verbau der Ruhr durch Anlage von Buhnen fuehrte zu Veraenderungen der Gewaessermorphologie. In den Staedten entlang der Ruhr bildete sich durch die Verarbeitung von Wolle und Baumwolle zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine bemerkenswerte Textilindustrie aus. Hattingen galt als Mittelpunkt des maerkischen Textilgewerbes. Im 20. und 21. Jahrhundert vollzogen sich die nachhaltigsten Veraenderungen des Landschaftsraumes. Die starke Urbanisierung und Industrialisierung fuehrte zu einer insgesamt grossflaechigen Inanspruchnahme der Auenbereiche von Ruhr und Lenne. Vor allem Gewerbegebiete mit In-dustrieansiedlungen und die daraus anfallenden Abwaesser fuehrten mit den Siedlungsabwaessern zu einer immer hoeheren Belastung der Gewaesserqualitaet von Ruhr und Lenne. Auch die Intensivierung der Landwirtschaft fuehrte zu immer hoeheren Eintraegen in die Gewaesser. Der zunehmende Verbau der Ruhr und die Anlage von Wehren fuehrte zu deutlichen Veraenderungen der Auendynamik. Durch Entwaesserungsgraeben wurden die Auenbereiche trockengelegt und der landwirtschaftlichen intensiven Nutzung zugefuehrt. Um die Belastungen, auch aus den Zufluessen Lenne und Volme zu senken, wurden in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts zunaechst der Hengsteysee und danach der Harkortsee im Verlauf der Ruhr gebaut. Zudem wurden zahlreiche Klaeranlagen in den Auenbereichen errichtet um die zufliessenden Abwaesser vorher zu reinigen. Gleichzeitig wurden zur Versorgung der steigenden Bevoelkerung Trinkwassergewinnungsanlagen in der Ruhraue angelegt. Auch zur Energiegewinnung wird die Ruhr genutzt. Seit 1928 wird im Kraftwerk Hohenstein (Witten) aus dem Ruhrwasser Energie gewonnen. Das Pumpspeicherkraftwerk Herdecke am Hengsteysee pumpt in last-schwachen Zeiten (nachts) Wasser in das hoeher gelegene Speicherbecken. Dieses steht dann bei leistungsstarken Phasen (Tag) zur Verfuegung. Durch die voranschreitende Motorisierung wurde eine Verkehrsinfrastruktur mit einem Verkehrswegenetz angelegt, welches eine sehr starke Zerschneidung des Landschaftsraumes zur Folge hatte. Vor allem Brueckenbauwerke querender, aber auch in Abschnitten parallel gefuehrter Strassenzuege wie z. B. die BAB A 1 und die BAB A 43 sowie im Bereich der Lenne die BAB A 45, die Bundesstrassen B 51, B 54, B 226 und B 234, sowie die Landstrassen L525, L551, L704, L705, L924 und im Bereich der Lenne die L 674 und L 703 bewirken diese Zerschneidung. Dazu zaehlt jedoch auch die Bahnrelation Hattingen - Oberhausen. Verstaerkt wird die Kompartimen-tierung durch viele Versorgungsleitungen die durch den Landschaftsraum verlegt sind. Eine weitere sehr starke Nutzungsintensitaet ist durch den steigenden Freizeit- und Erholungsbedarf der Bevoelkerung entstanden. Das Ruhrtal gilt mittlerweile als Freizeit- und Naherholungsgebiet fuer die Bevoelkerung des noerdlich gelegenen Ruhrgebietes. Fuer die Freizeitnut-zung wurde in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts sogar der Kemnader Stausee (1978) angelegt. Auf den Seen verkehren "Weisse Flotten". An den Uferbereichen haben sich eine entsprechende Gastronomie sowie verschiedene Freizeitangebote mit einem entsprechend intensiven Wegenetz ausgebildet. Insgesamt muss ein sehr hoher Freizeit- und Erholungsdruck fuer den Landschaftsraum festgehalten werden. Aktuelle Vorhaben sind die Kapazitaetserhoehung der Ruhrtalbahn auf der vorhandenen Mueseumsbahnstrecke, die Errichtung von Kanuanlegestellen (mit den Standorten Hagen-Harkortsee beim Yachtclub Harkortsee, Wetter-Wengern, Witten-Nachtigallstrasse, Hattingen - Henrichshuette und Bochum-Dahlhausen - Eisenbahnmuseum sind 7 der insgesamt 13 geplanten Anlegestege fertig gestellt), Erweiterung des RuhrtalRadweges um das Stueck Hagen-Bochum und die Einrichtung einer neuen Schiffslinie zwischen dem Kemnader See und dem Stadtzentrum von Hattingen bis 2009. Voraussetzung hierfuer sind die Sanierung der Schleuse Blankenstein, die Ausbaggerung des Schleusenkanals, die Errichtung einer Schiffsschleppe am Kemnader Wehr, die Betonung der Ruhr und der Bau von fuenf Anlegern. Im Rahmen der Entwicklung des Umwelt- und insbesondere des Naturschutzbewusstseins wurde die Sicherung der Funktionen des Oekosystems Ruhraue immer wichtiger. In juengerer Zeit geht auch die Waldbewirtschaftung in eine naturnahe Bewirtschaftungsform ueber. Bezogen auf die Landwirtschaft sind Anfaenge gemacht zu einer extensiven Nutzungsform der Flaechen ueber-zugehen. Durch Verbesserungen bezueglich der Klaerung der Abwaesser wurde die Gewaesserqualitaet in den letzten Jahren deutlich verbessert. Die Erstellung von Konzepten zur naturnahen Entwicklung der Ruhraue gemaess dem Ruhrauenprogramm bekraeftigt den Willen zu einer oekologischen Umgestaltung der Ruhraue. Die Schutzmassnahmen sollen der langfristigen Sicherung wertvoller Auenbiotope dienen. Als bislang groesste Massnahme des Gewaesserauenkonzeptes "Untere Ruhr" wurde ein ueber 190 ha grosses Wassergewinnungsgelaende in Hattingen-Winz auf Grundlage eines 1993 fertig gestell-ten Biotopentwicklungskonzeptes in eine naturnahe Auenlandschaft ueberfuehrt. 1995/1996 wurden ehemalige Filterbecken in naturnahe Auengewaesser umgewandelt. Die derzeitige jeweils gerundete Flaechenverteilung weist den Landschaftsraum mit einer Gesamtflaeche von 2.970 ha aus, wobei der Freiraumflaechenanteil nur bei 1.651 ha (= 55%) liegt. Dieser Anteil weist auf die sehr starke Besiedelungs- und Nutzungsintensitaet hin. Ca. 40 % des Landschaftsraumes (entspricht ca. 72 % des Freiraumes) werden landwirtschaftlich genutzt. Dabei ueberwiegt die Gruenlandnutzung mit ca. 24 % (entspricht ca. 43 % des Freiraumes) vor der ackerbaulichen Nutzung mit ca. 16 % (entspricht ca. 29 % des Freiraumes). Der Waldanteil liegt mittlerweile wieder bei 10 % des Landschaftsraumes (entspricht ca. 19 % des Freiraumes).
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