1 Allgemeine Informationen
Objektkennung:
 

LR-VIa-001

Landschaftsraumbezeichnung:
 

Tal der Ruhr zwischen Muelheim und Witten

Digitalisierte Fläche (ha) / (Digitize area (in hectares)):
 

13.895,8306

Flächenanzahl:
 

4


Landschaftsraumbeschreibung:
 

Der Landschaftsraum umfasst die zumeist lössbedeckten, höheren Ruhrterrassen nördlich der Ruhr zwischen Mülheim und Witten - nach Norden in die Börden des Westenhellweges übergehend - die bis in den Raum Bochum-Wattenscheid bis zur Wasserscheide zwischen Ruhr und Emscher reichen, sowie die höheren Terrassenbänder südlich der Ruhr in den Bereichen Hattingen und Witten-Herbede und -Wengern, auf denen zumeist das Grundgebirge hervortritt. Besonders an den Ruhrtalhängen, aber auch im Bereich mehrerer Bachtäler zeichnet sich der Raum durch eine hohe Reliefenergie aus, nach Norden hin abgelöst durch flachwelligen Charakter. Oberkarbonische Sand-, Ton- und Schluffsteine herrschen vor, nördlich der Ruhr meist von Löss bedeckt, der vor allem im Raum Mülheim bis zu 10 Meter mächtige Lagen bildet. An den bis zu 100 m hohen Talhängen stehen teilweise Magerkohlenflöze an. Vorherrschende Bodentypen sind tiefgründige Parabraunerden, teilweise pseudovergleyt, Pseudogleye und Braunerden, sowie in den Bachtälern Gleyböden. Die Braunerden sind bei hervortretendem Grundgebirge sehr flachgründig sowie meist erodiert und gehen teilweise in Podsole über. Eine Vielzahl kleiner Siefen und teilweise verzweigter Bachsysteme gliedern die Terrassenflächen und entwässern zur Ruhr. Vorherrschende Waldtypen der Potentiellen Natürlichen Vegetation sind Hainsimsen-Buchenwälder vor allem in den steilen, flachgründigen Lagen und Flattergras-Buchenwälder auf den lössgeprägten Terrassen. Vor allem an den steilen Hängen sind zum Teil ausgedehntere, naturnahe Buchenwälder erhalten, teilweise auch Eichen-Hainbuchenwälder als Relikte ehemaliger Niederwaldwirtschaft. Größere Laubwaldflächen befinden sich vor allem an den Ruhrtalhängen des Essener Südens (u.a. Stadtwald, Schellenberger Wald) und im Bochumer Süden (u.a. Weitmarer Holz). Mit etwa 15 % Waldanteil ist der Landschaftsraum als waldarm zu bezeichnen. Die Terrassenflächen, sofern nicht besiedelt, werden mit ihren reichen Böden zumeist ackerbaulich genutzt.


2 Landschaftsentwicklung, Landschaftsbild
Objektkennung:
 

LR-VIa-001

Landschaftsentwicklung:
 

Große Teile des Ruhrtales zwischen Mülheim und Witten waren bereits im Frühmittelalter besiedelt. Alte Handelsstraßen wie der "Kleine Hellweg" schnitten das Ruhrtal im Bereich flacher Ruhrfurten in N-S-Richtung, die später zu Brücken ausgebaut und durch Burgen strategisch gesichert zu Ausgangspunkten der Besiedlung wurden. Bereits im Frühmittelalter existierten die Gerichte Mülheim, Hattingen und Herbede.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war der Landschaftsraum weitgehend besiedelt und landwirtschaftlich genutzt. Um 1840 zeigte sich der Landschaftsraum als locker besiedelte, offene und überwiegend ackerbaulich genutzte Kulturlandschaft um die locker gruppierten Einzelhöfe, Hofgruppen, kleinen dörflichen Siedlungen sowie die auf mittelalterliche Gründungen zurückgehenden Kleinstädte Mülheim und Hattingen. Lediglich die steilen Ruhrtal-Hänge sowie steile Bachtäler und Siepen konnten nicht landwirtschaftlich genutzt werden und waren bewaldet.
Bereits ab dem 14. Jahrhundert hatten sich im ruhrnahen Raum kleine, oberflächennah schürfende Steinkohlenzechen etabliert, die nach Einführung der Sprengtechnik im Bergbau um 1700 aufblühten. 1738 wurde im benachbarten Bochum das Märkische Bergamt eingerichtet; weitere Meilensteine der Ruhr-Bergbaugeschichte stellten der Übergang zum Stollentiefbau (um 1790), die Einführung der künstlichen Bewetterung (um 1800), der Einsatz von Dampfmaschinen zur Kohlenförderung (um 1810), das Durchteufen des Deckgebirges (um 1832) und der Einsatz von Drahtseilen zur Kohleförderung, wodurch die Schächte noch tiefer abgeteuft werden konnten (um 1835), dar. Die Ausbreitung des untertägigen Bergbaus läutete ab ca. 1835 eine geradezu explosionsartige Industrialisierung ein. Mit dem Aufblühen des Steinkohlenbergbaus eng verknüpft ist die Entwicklung der Eisenverhüttung v.a. in Hattingen (Henrichshütte) und Mülheim (Stinnes).
Die mittelalterlichen Ansiedlungen Mülheim und Hattingen expandierten, weitere Siedlungsverdichtungen resultierten aus dem Zusammenwachsen der ehemals dörflichen Strukturen im Essener und Bochumer Süden sowie im Raum Witten. Die fortschreitende Entwicklung führte zum partiellen Zusammenwachsen der Stadtteile der heutigen Ruhrgebietsstädte Essen, Bochum und Witten. Im 20. Jahrhundert griff die Flächen-Inanspruchnahme auf bislang dörflich-kleinstädtische Siedlungen wie Essen-Kettwig, Bochum-Stiepel und -Querenburg sowie Witten-Herbede, -Wengern und -Bommern über, mit der Folge zunehmender Verstädterung auch dieser Bereiche. Siedlungen, Industrie- und Verkehrsflächen nehmen heute fast 60 % der Landschaftsraumfläche in Anspruch. Der Landschaftsraum, der den südlichen Rand des Ruhrgebietes darstellt, wird von Verkehrsachsen wie den Autobahnen A 52 und A 43, vielen Bundes- und Landesstraßen sowie mehreren Bahnstrecken zerschnitten.
Landwirtschaftlich geprägt blieb bis in heutige Zeit der Bereich um Essen-Kettwig, landwirtschaftlich genutzte Kulturlandschaftsreste blieben ansonsten teilweise in den Randbereichen der Städte erhalten. Diese Bereiche nehmen heute knapp ein Viertel des Landschaftsraumes ein, sie werden überwiegend ackerbaulich genutzt (etwa 75 % der Landwirtschaftsflächen), mit den bekannten Intensivierungschritten während des 20. Jahrhunderts wie Mechanisierung der Landwirtschaft sowie Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden. Grünlandgenutzte Bereiche nehmen heute etwa ein Viertel der Landwirtschaftsflächen ein, hier kam es in den vergangenen Jahrzehnten häufig zu einer Umstellung der landwirtschaftlichen Betriebe auf eine Pensions-Pferdehaltung. Die verbliebenen Freiflächen stehen weiterhin unter einem hohen Nutzungs- und Besiedlungsdruck.
Mit dem Niedergang des Steinkohlenbergbaus und der Montanindustrie wurden ab ca. 1960 eine Reihe von Industrie- und bis 1984 alle Bergbaustandorte aufgegeben. Während in Folge des Strukturwandels in Mülheim der tertiäre Sektor heute im Vordergrund steht (Zentralsitze mehrerer bedeutender Handelsketten), konnte sich Bochum seit den 70er Jahren als Hochschulstandort etablieren (Neubau der Ruhr-Universität im Bochumer Stadtteil Querenburg).

Landschaftstyp:
 

Verdichtungsraum (75 %), ackergeprägte, offene Kulturlandschaft (25 %)

Landschaftsbild:
 

Das Ruhrtal zwischen Mülheim und Witten stellt einen weitgehend verdichteten, von Zechenbrachen und Industrie (-Brachen) sowie Verkehrswegen geprägten Landschaftsraum des südlichen Ruhrgebietes dar. Das Gebiet umfasst Teile der Großstädte Mülheim, Essen, Bochum, Hattingen und Witten. Die ackerbaulich geprägte Kulturlandschaft ist zusammenhängend noch zwischen Mülheim, Essen-Kettwig und -Bredeney erhalten, sowie kleinflächig in den Übergangsbereichen zwischen Essen, Bochum und Witten. Mehrere ausgedehnte Bachsysteme sind mit ihren Quellbereichen, Bachläufen und bachbegleitenden Auenwäldern naturnah entwickelt. Vielfach finden sich an den steilen Hängen dieser Siefen und Bäche, besonders aber an den steilen Ruhrtalhängen im Essener und Bochumer Süden, naturnahe Buchenwälder. Diese werden mit mehreren großen Parkanlagen als wohnortnahe Naherholungsgebiete genutzt und sind auch von hohem landschaftsästhetischem Wert. Mehrere Aussichtspunkte an den Ruhrhängen erlauben weite Ausblicke über Ruhrtal und Bergisches Land bis ins Sauerland. Zu erwähnen ist auch die Vielzahl von Burgen, Schlössern, Herrenhäusern und Villen (u.a. Villa Hügel) an den Ruhrtalhängen, die ebenfalls häufig aus Ausflugsziele genutzt werden. Somit stellt der Landschaftsraum heute sowohl den Südrand des Verdichtungsraumes als auch einen Übergang zur offenen Kulturlandschaft des Niederbergisch-Märkischen Hügellandes dar, der mit den großen Stauseen der angrenzenden Ruhraue eine herausragende Freizeit- und Erholungsfunktion für die Großstädte im südlichen Ruhrgebiet erfüllt. Der Landschaftsraum hat Anteil an einem lärmarmen Erholungsraum mit dem Lärmwert < 45 dB (A).

Historischen Elemente:
 

überwiegend ackerbaulich genutzte landwirtschaftliche Flächen mit strukturierenden Elementen wie Säume und Hecken, in Hofnähe Hausgärten und Obstwiesen; mittelalterliche Schloss- und Burganlagen mit altholzreichen Parks (u.a. Schloss Schellenberg, Burg Blankenstein, Ruine Isenburg); alte Herrenhäuser und Villen (u.a. Haus Stein, Haus Ruhreck, Haus Horst, Haus Weitmar, Haus Heisingen, Villa Hügel); erhalten gebliebene Reste mittelalterlicher Stadtgründungen und Siedlungen (Mülheim, Kettwig, Steele, Hattingen); Industriedenkmäler aus der Anfangsphase der Industrialiserung im Ruhrgebiet


3 Leitbild, Ziele, Konflikte
Objektkennung:
 

LR-VIa-001

Konfliktbeschreibung:
 

Ausbau der B1 im Stadtgebiet Mülheim; Siedlungserweiterungen (u.a. in den Bereichen Mülheim-Fulerum, Bochum-Weitmar, Essen-Stadtwald/Rellinghausen und -Horst);

Leitbild:
 

Die Freiraumkorridore wie auch die Regionalen Grünzüge sind erhalten und planerisch vor Inanspruchnahme durch weitere Siedlungs- und Gewerbebereiche gesichert worden. Sie sind für die siedlungsnahe Erholung zugänglich. Der Freiraumverbrauch konnte insgesamt deutlich reduziert werden, auch - unter Berücksichtigung naturschutzfachlicher Erfordernisse - durch vorrangige Folgenutzung von Brachflächen als Siedlungs-, Gewerbe- oder Industrieflächen. Der urban-industrielle Verdichtungsraum wird von einem Biotopnetz durchzogen, das sich aus naturbetonten Biotopen (z.B. alte Wälder), Elementen der landwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaft (z.B. Acker-Grünland-Kleingehölz-Komplexe) sowie urban-industriellen Elementen (z.B. alten Parks und Friedhöfen, Industriebrachen und Halden) zusammensetzt. Brachen und Halden, die nicht einer Nachnutzung als Siedlungs-, Gewerbe- oder Industriefläche zugeführt sind, wurden durch gezielte Rekultivierung zu wertvollen Sekundärlebensräumen entwickelt. Von landwirtschaftlicher Nutzung geprägte Landschaftsteile weisen naturnahe Gehölz-Grünland-Fließgewässer-Biotopkomplexe auf. Naturnahe Buchenwälder sind Teil dieses komplexen Gefüges. Die naturnahen Siepentälchen mit ihren Bachläufen und Feldgehölzen sind ebenfalls Bestandteil der Regionalen Grünzüge. Die Ackerbereiche werden nachhaltig landwirtschaftlich genutzt und bilden wichtige Freiraumkorridore.

Ziel-Massnahmen:
 

Reduzierung des Freiraumverbrauchs durch Nachnutzung von Brachflächen als neue Gewerbe- und Industriestandorte sowie als Wohnquartiere ("Flächenrecycling vor Neuverbrauch") unter Berücksichtigung naturschutzfachlicher Erfordernisse (u.a. Erhaltung eines Mindestmaßes an Brachen als Refugiallebensraum).
Erhaltung, Entwicklung und Sicherung
- von Freiraumbereichen aus Gründen des Klimaausgleichs, für die wohnortnahe Naherholung und den Biotopverbund u.a. durch planerische Sicherung der Verbundkorridore des RVR, durch Rekultivierung von Industrie- und Verkehrsbrachen und durch Erhalt und Förderung struktur- und altholzreicher Parks, Friedhöfe und Gärten;
- der Bäche zu naturnahen Fließgewässersystemen ohne Wanderbarrieren durch natürliche Sukzession oder gezielte ökologische Verbesserung der Fließgewässer;
- naturnaher Wälder mit bodenständiger Laubholzbestockung durch naturnahe Waldbewirtschaftung und Entwicklung von Alt- und Totholzanteilen;
- der landwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaft und der fruchtbaren Böden durch nachhaltige landwirtschaftliche Nutzung;
- historisch gewachsener Strukturen wie Alleen, Feldgehölze, Baumreihen und Hecken.



4 Naturausstattung
Objektkennung:
 

LR-VIa-001

Gesteine:
 

(kleinflächig Haupt- und Mittelterrassensande und -kiese) / (Sand-, Ton- und Schluffstein in Wechsellagerung) / (v.a. im Westen des Raumes)

Hauptbodentyp:
 

(stellenweise Pseudogley-Parabraunerde) / (Bachtäler; stellenweise Pseudogley-Gley) / (stellenweise Pseudogley-Braunerde und Podsol-Braunerde, z.T. erodiert) / (v.a. im Nordosten)

Geologische Besonderheiten:
 

sehr kleinklächig Mergel- und Sandsteine der Oberkreide (Essener Grünsand), Steinbrüche, Findlinge, Felswände, Steilufer, Hangschichtquelle, Steinkohleflöz, Terrassen der Ruhr

Bodentypische Besonderheiten:
 

schutzwürdig aus Gründen der Bodenfruchtbarkeit: großflächig Pseudogley-Parabraunerden, kleinflächig Kolluvialböden und Pseudogley-Braunerden; schutzwürdig aus Gründen der Biotopentwicklung: Gleye und Pseudogley-Gleye (schutzwürdige Grundwasserböden), podsolige Braunerden und Braunerde-Podsole (schutzwürdige flachgründige Felsböden)

Klima:
 

schwach kontinental; mittlerer Jahres-Niederschlag 850 bis 900 mm, Niederschlags-Maximum im Juli/August (zweiter Gipfel im Dezember/Januar), mittlere Jahrestemperatur um 9,5 Grad Celsius

Relief:
 

hügelig bis flachwellig

ökologische Ressourcen:
 

siedlungsnahe Naherholung; Landwirtschaft (Ackernutzung)

ökonomische Ressourcen:
 

Sandsteinvorkommen an den Ruhrtalhängen


5 Biotope, Leitarten
Objektkennung:
 

LR-VIa-001


Potentielle natürliche Vegetation:
 

, (Bachtäler)
, (sehr kleinflächig auf Felsköpfen)


6 Verwaltungstechnische Informationen
Objektkennung:
 

LR-VIa-001

Objektbezeichnung:
 

Tal der Ruhr zwischen Muelheim und Witten

Digitalisierte Fläche (ha) / (Digitize area (in hectares)):
 

13.895,8306

Höhe über NN (height above sea level):
 

min. 39 m, max. 193 m


Gebietskoordinate (x-, y-coordinate):
 

R: 351876, / H: 5700580


Projektbezug:
 

WV-Nr. 32-537.10-2322 Überarbeitung Landschaftsräume

Literatur:
 

Paffen et al., 1963 (Die naturräumlichen Einheiten auf Blatt 108/109 Düsseldorf-Erkelenz, Geographische Landesaufnahme 1:200000) / Burggraaff, 2000 (Fachgutachten zur Kulturlandschaftspflege in NRW; Siedlung und Landschaft in Westfalen Bd. 27) / Bürgener, 1969 (Die naturräumlichen Einheiten auf Blatt 110 Arnsberg, Geographische Landesaufnahme 1:200000) / Trautmann, 1972 (Potentielle natürliche Vegetation (Dt. Planungsatlas Band I, L. 3)) / Burrichter, 1973 (Die pot. nat. Vegetation in der Westfäl. Bucht; Siedlung und Landschaft in Westfalen Bd. 8) / Gorzny, 2002 (Ruhrschlösser: Burgen, Schlösser und Adelssitze entlang der Ruhr)

Bearbeitung:
 

Kartier-, Planungsbüro:
 

Luwe

 

Datum: 04.12.2004, Datenerfassung, Digitalisierung

 

Planungsbüro Erdmann

 

Datum: 01.12.2012, Datenerfassung, Digitalisierung

Allgemeine Bemerkungen:
 

Aktualisierung durch Planungsbüro Erdmann, 12/2012