1 Allgemeine Informationen
Objektkennung:
 

LR-IIIa-101

Landschaftsraumbezeichnung:
 

Flachwellenland zwischen Sinsen und Brechten

Digitalisierte Fläche (ha) / (Digitize area (in hectares)):
 

10.659,1121

Flächenanzahl:
 

1


Landschaftsraumbeschreibung:
 

Der Landschaftsraum umfasst die flachwelligen Bereiche zwischen dem Vestischen Höhenrücken und dem Südrand der Haard sowie die ausgedehnten, nordöstlich und östlich sich anschließenden Flachwellen bis Dortmund-Brechten, die eine Verbindung zwischen dem Emschertal (bei Henrichenburg) und dem Lippetal herstellen. Der Untergrund besteht überwiegend aus Emschermergel der Oberkreide, der fast überall von Grundmoräne, Flugsanddecken, Löss, teilweise auch Sandlöss überlagert wird. Neben - teilweise vergleyten und pseudovergleyten - Braunerden treten im Gebiet, vor allem in Mulden und Niederungen, vielfach stau- und grundwassergeprägte Pseudogley- und Gleyböden auf. In Bachtälern finden sich häufiger holozäne Niedermoortorfe. Der trockene Eichen-Buchenwald, der artenarme Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwald sowie vielfältige Übergänge zwischen diesen beiden Typen stellen die Potentielle Natürliche Vegetation dar. Randlich tritt Flattergras-Buchenwald, in wenigen Bachtälern Erlen-Eschen-Auenwald hinzu. Eine größere Zahl zumeist begradigter bzw. stark ausgebauter Bäche entwässern zur Lippe. Teilweise naturnah ausgeprägt sind Silvertbach und Mahlenburger Mühlengraben. Zur Emscher entwässern lediglich Groppen-, Herdicks- und Beckumer Bach. Allen Bächen des Raumes ist gemein, dass sie keine Durchgängigkeit zu ihren Hauptvorflutern besitzen, weil im Rahmen der Entstehung des den Landschaftsraum zerschneidenden Netzes aus dem Dortmund-Ems-, Wesel-Datteln- und Datteln-Hamm-Kanal von 1890-1930 die Bäche unter den Wasserstraßen mittels Rohrleitungen (Düker) unterführt wurden.
Im landwirtschaftlich geprägten Bereich herrscht heute Ackernutzung vor (gut 50 % der Landschaftsraumfläche), Dauergrünland findet sich vorwiegend in den Bachauen (15 % der Fläche). In feuchten Niederungsbereichen kommen kleinflächig erlendominierte Feuchtwälder vor. Einige Waldreste auf den Geländewellen repräsentieren die den Standortbedingungen entsprechenden Eichen-Buchen- und Eichen-Hainbuchenwälder. Der gesamte Waldflächenanteil beträgt etwa 15 %. Derzeit werden 17 % des Landschaftsraumes von Siedlungs-, Verkehrs-, Gewerbe- und Industrieflächen eingenommen.


2 Landschaftsentwicklung, Landschaftsbild
Objektkennung:
 

LR-IIIa-101

Landschaftsentwicklung:
 

Vom Frühmittelalter bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts kam es zur flächendeckenden Besiedlung des Flachwellenlandes zwischen Sinsen und Brechten. Der größere Teil des Raumes war bis zum Beginn des 19. Jhdts. als Grünland (Bachauen und staufeuchte Bereiche) oder Ackerland kultiviert worden. Um 1840 stellte sich der Raum als waldarme, offene Kulturlandschaft um die locker gruppierten Einzelhöfe und Herrenhäuser, drubbelartigen Hofgruppen und kleinen Dörfer dar. Auf ärmeren, sanddominierten Böden fanden sich kleinere, gemeinschaftlich genutzte Heideflächen, auf stark vernässten Standorten kleinere Sümpfe und Brücher. Die "Ödlander" wurden nach den gesetzlichen Gemeinheitsteilungen (1821) überwiegend mit Kiefer aufgeforstet bzw. als Grünland kultiviert.
Einschneidend wirkte sich für den Landschaftsraum die Nordwanderung des Steinkohlen-Bergbaus aus, welcher den Raum um 1900 erreichte. Die rasant einsetzende Industrialisierung mit Bergbau- und Industrie-Ansiedlungen, Siedlungsverdichtung um die ehemals dörflichen Kerne und der (Aus-) Bau zahlreicher bedeutender Verkehrsachsen wie die drei Kanäle, Bahnstrecken und Bundesstraßen haben seitdem zu landschaftsprägenden Veränderungen geführt. So bildet der Raum heute den Übergang des nördlichen Ruhrgebietes zum Kernmünsterland. Die ackergeprägten, bis heute zusammenhängenden Freiraumbereiche nahmen eine andere Entwicklung: In Folge einer mit Beginn des 20. Jahrhunderts einsetzenden Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung der offenen Kulturlandschaft durch strukturverbessernde Maßnahmen, wie Flurbereinigung, Melioration und großflächige Kultivierung, kommt es bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts zur vollständigen Umwandlung aller ehemaligen Heideflächen. Eine zweite, die gesamte Landwirtschaft ab 1950 erfassende Intensivierungswelle, die u.a. geprägt ist von der Anwendung moderner Agrochemie, der Mechanisierung und Technisierung der Arbeitsprozesse und einer Stallviehhaltung, die zunehmend von der Futterfläche entkoppelt als Güllewirtschaft anstelle herkömmlicher Festmistwirtschaft betrieben wird, führt zu weiteren Veränderungen innerhalb des Landschaftsraumes. Für die Viehhaltung notwendige Wiesen- und Weidenutzungen in den Bachauen gehen zurück, Mais- und Silograsanbau zur Produktion von Viehfutter gewinnen an Bedeutung. Äcker und verbliebenes Grünland werden in gleichem Maße zu Ausbringungsorten der Gülle.
Über ein Kreis-Kulturlandschaftsprogramm wird versucht, eine extensive Grünlandnutzung, insbesondere in den Bachniederungen zu erhalten bzw. wiederherzustellen.

Landschaftstyp:
 

ackergeprägte offene Kulturlandschaft (50 %), Verdichtungsraum (50 %)

Landschaftsbild:
 

Das flachwellige Gebiet zwischen Sinsen und Brechten stellt heute den Übergangsbereich zwischen dem Verdichtungsraum des nördlichen Ruhrgebiets und der Lippeaue bzw. der ackergeprägten Kulturlandschaft des Kernmünsterlandes dar. Im Bereich der aus mittelalterlichen, bäuerlichen Siedlungen hervorgegangenen Städte Oer-Erkenschwick, Datteln und Waltrop und im Bereich von Marl-Sinsen und Dortmund-Brambauer erstrecken sich ausgedehnte Zechen-, Industrie- und Siedlungskomplexe. Die Autobahn A 2 am Südrand des Landschaftsraumes, mehrere Bundesstraßen, Bahnstrecken und der Dortmund-Ems-, Datteln-Hamm- und Wesel-Datteln-Kanal tangieren oder zerschneiden den Raum. Ein zusammenhängender Freiraumzug zwischen Sinsen und Datteln sowie ein großer, zusammenhängender Freiraumbereich um Waltrop ist noch vorhanden. Diese Bereiche werden überwiegend ackerbaulich genutzt, in den Bachtälern findet sich teilweise Grünlandnutzung (etwa zwei Drittel des Landschaftsraumes werden landwirtschaftlich genutzt). Eine größere Zahl, heute zumeist begradigter Bäche durchziehen den Raum Norden zur Lippe und nach Süden zur Emscher. Die meisten im Landschaftsraum verbliebenen Wälder und Gehölze sind kleiner als 10 ha. Nur sechs Wälder sind größer als 50 ha, allen voran das Waldgebiet "Die Burg" mit ca. 170 ha. Ebenso wie das Waldgebiet "Die Deipe" und der Wald in der Ickerschen Heide ist "Die Burg" teilweise mit naturnahen Eichen-Buchenwäldern und Eichen-Hainbuchenwäldern bestockt. Durch den anhaltenden Siedlungsdruck sind die Freiräume weiterhin stark gefährdet. Der Freiraum wird intensiv zur Naherholung und als Durchgangsraum in den nördlich angrenzenden Naturpark Hohe Mark und in die Lippeaue genutzt. Der Landschaftsraum enthält randlich einen lärmarmen Erhoungsraum mit dem Lärmwert < 45 dB (A).

Historischen Elemente:
 

Reste der gewachsenen bäuerlichen Besiedlungsstruktur mit drubbelartigen Hofgruppen und Einzelhöfen mit den zugehörigen verbliebenen Baumbeständen, Hausgärten, Obstwiesen und Weideflächen; linienartige Strukturen wie Alleen, (Kopf-) Baumreihen, ebenerdige und Wallhecken; kleinflächig Plaggenesche als Überbleibsel mittelalterlicher Landbewirtschaftung; mehrere z.T. von Gräften umgebene Herrenhäuser (u.a. Haus Mahlenburg, Haus Klostern, Haus Niering); Reste des karolingischen Ringwalls "Die Burg"; Industriedenkmäler aus der Anfangsphase der Industrialisierung, z.B. Schachtanlagen der Zeche Waltrop, Schiffshebewerk Henrichenburg


3 Leitbild, Ziele, Konflikte
Objektkennung:
 

LR-IIIa-101

Konfliktbeschreibung:
 

bergbaubedingte Senkungen im Raum Oer-Erkenschwick/ Marl-Sinsen; Siedlungserweiterungen v.a. in Stadtrandlagen von Waltrop, Datteln, Oer, Dortmund-Brambauer, -Brechten; Industrie- und Gewerbegebiets-Ansiedlungen und -Erweiterungen im Oer-Erkenschwick-Rapen, Datteln-Beisenkamp, Waltrop-Brockenscheidt, Dortmund-Brambauer; Neubau der B474n im Raum Waltrop-Datteln zur Erschließung des geplanten flächenintensiven Großvorhabens "Datteln/Waltrop"; Erweiterung des bestehenden Tonabbaugebietes bei Waltrop-Brockenscheidt; projektierte Bergehalde bei Oer-Erkenschwick (Blumenthal 8)

Leitbild:
 

Die Freiräume im Flachwellenland zwischen Sinsen und Brechten sind als Grünzug in West-Ost-Ausrichtung erhalten und planerisch vor Inanspruchnahme durch weitere Siedlungs- und Gewerbebereiche gesichert. Die Regionalen Grünzüge aus dem Verdichtungsraum sind ebenfalls gesichert und für die siedlungsnahe Erholung zugänglich. Der Freiraumverbrauch konnte deutlich reduziert werden, u.a. durch vorrangige Nachnutzung von Verkehrs-, Gewerbe- und Industriebrachen unter Berücksichtigung naturschutzfachlicher Erfordernisse. Es gibt eine deutliche Trennung zwischen Siedlungsraum und Freiraum. Urban-industrielle Bereiche werden von einem Biotopnetz durchzogen, das sich aus naturbetonten Biotopen, Elementen der landwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaft sowie urban-industriellen Elementen - zu wichtigen Sekundärlebensräumen entwickelt durch gezielte Rekultivierung oder Sukzession - zusammensetzt. Landwirtschaftlich geprägte Bereiche zeichnen sich durch eine nachhaltige Nutzung aus und sind für die landschaftsbezogene Erholung zugänglich. Im Bereich des Waldvermehrungskorridors im Raum Datteln-Waltrop konnte eine deutliche Zunahme des Waldflächenanteils erreicht werden. Die Bachsysteme von Silvertbach und Mahlenburger Mühlengraben haben sich durch natürliche Sukzession oder gezielte ökologische Entwicklung zu wichtigen Elementen im Biotopverbundsystem entwickelt. Die Niederungsbereiche dieser Bäche werden extensiv als Grünland genutzt. Ehemals stark ausgebaute bzw. kanalisierte Bäche tragen nach ihrem Umbau zu Fließgewässern naturbetonter Ausprägung zur Vernetzung der unterschiedlichen Elemente des Biotopverbundes bei. Kulturhistorisch bedeutsame Hofanlagen und Herrenhäuser sind erhalten und werden gepflegt.

Ziel-Massnahmen:
 

Reduzierung des Freiraumverbrauchs durch Nachnutzung von Brachflächen als neue Gewerbe- und Industriestandorte sowie als Wohnquartiere ("Nachnutzung vor Neuverbrauch") unter Berücksichtigung naturschutzfachlicher Erfordernisse (u.a. Erhaltung eines Mindestmaßes an Brachen als Refugiallebensraum sowie Vernetzung von Brachflächen im Verdichtungsraum z.B. über linienhafte Verbindungen wie ehemalige Bahntrassen).
Erhaltung, Entwicklung und Sicherung
- von Freiraumkorridoren aus Gründen des Klimaausgleichs, für die naturgebundene Erholung und den Biotopverbund u.a. durch planerische Sicherung des West-Ost-Grünzuges und der Verbundkorridore des RVR, durch Rekultivierung der Halden, Industrie- und Verkehrsbrachen sowie natürliche Sukzession in Bergsenkungsbereichen, durch Erhaltung struktur- und altholzreicher Parks, Friedhöfen und Gärten, alter Villen und Herrensitze, durch Erhalt und vorsichtige Sanierung gartenreicher Bergarbeitersiedlungen sowie durch Siedlungsrandgestaltung und feste Grenzziehung;
- der teilweise naturnahen Fließgewässersysteme von Silvertbach und Mahlenburger Mühlengraben durch natürliche Sukzession oder gezielte ökologische Verbesserung der Fließgewässer;
- der landwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaft durch nachhaltige landwirtschaftliche Nutzung;
- von naturnahen Wäldern mit bodenständiger Laubholzbestockung sowie von Kleinstrukturen wie Alleen, Feldgehölzen, Baumreihen, (Wall-) Hecken und Säumen.
Umbau der kanalisierten bzw. stark ausgebauten Bäche zu Fließgewässern naturbetonter Ausprägung.



4 Naturausstattung
Objektkennung:
 

LR-IIIa-101

Gesteine:
 

(Bachtäler)

Hauptbodentyp:
 

(teilweise vergleyt bzw. pseudovergleyt)

Geologische Besonderheiten:
 

kleinflächig Mergel und Sandmergel der Oberkreide (Recklinghäuser Sandmergel), Kame, Aufschluss, Steinbruch

Bodentypische Besonderheiten:
 

schutzwürdig aus Gründen der Bodenfruchtbarkeit: teilweise pseudovergleyte Parabraunerden und Pseudogley-Braunerden; Bodenarchiv: kleinflächig Schwarzgrauer Plaggenesch; schutzwürdig aus Gründen der Biotopentwicklung: Pseudogleye und Pseudogley-Gleye (schutzwürdige Staunässeböden); Gleye und Podsol-Gleye (schutzwürdige Grundwasserböden); kleinflächig Braunerde-Podsole (schutzwürdige tiefgründige Sandböden); schutzwürdige Niedermoorböden in Bachtälern;

Klima:
 

ozeanisch; mittlerer Jahres-Niederschlag 750 bis 800 mm , Niederschlags-Maximum im Juli/August, mittlere Jahrestemperatur 9,0 bis 9,5 Grad C

Relief:
 

flachwellig

ökologische Ressourcen:
 

Landwirtschaft; siedlungsnahe Naherholung; Frischluftschneise für das nördliche Ruhrgebiet (klimaökologischer Ausgleichsraum)

ökonomische Ressourcen:
 

Abbaufelder Steinkohle (Verbundbergwerk Auguste Victoria/Blumenthal); Sand und Kies, z.T. mit Beimengungen (nördlich Oer-Erkenschwick); Tonvorkommen (östlich von Waltrop); bedeutendes Wasserstraßennetz mit Wasserstraßenkreuz bei Datteln


5 Biotope, Leitarten
Objektkennung:
 

LR-IIIa-101


Potentielle natürliche Vegetation:
 

, (Randbereiche)
, (kleinflächig südlich von Waltrop)


6 Verwaltungstechnische Informationen
Objektkennung:
 

LR-IIIa-101

Objektbezeichnung:
 

Flachwellenland zwischen Sinsen und Brechten

Digitalisierte Fläche (ha) / (Digitize area (in hectares)):
 

10.659,1121

Höhe über NN (height above sea level):
 

min. 48 m, max. 98 m


Gebietskoordinate (x-, y-coordinate):
 

R: 372516, / H: 5727247


Projektbezug:
 

WV-Nr. 32-537.10-2232 Überarbeitung Landschaftsräume

Literatur:
 

Burggraaff, 2000 (Fachgutachten zur Kulturlandschaftspflege in NRW; Siedlung und Landschaft in Westfalen Bd. 27) / von Kürten, 1977 (Die naturräumlichen Einheiten auf Blatt 95/96 Kleve/Wesel, Geographische Landesaufnahme 1:200000) / Meisel, 1960 (Die naturräumlichen Einheiten auf Blatt 97 Münster, Geographische Landesaufnahme 1:200000) / Burrichter, 1973 (Die pot. nat. Vegetation in der Westfäl. Bucht; Siedlung und Landschaft in Westfalen Bd. 8) / Hermann, 1990 (Die alten Zechen an der Ruhr)

Bearbeitung:
 

Kartier-, Planungsbüro:
 

Luwe

 

Datum: 22.11.2004, Datenerfassung, Digitalisierung

 

Planungsbüro Erdmann

 

Datum: 01.12.2012, Datenerfassung, Digitalisierung

Allgemeine Bemerkungen:
 

Aktualisierung durch Planungsbüro Erdmann, 12/2012