Landschaftsraum (LR)


1 Allgemeine Informationen

Objektkennung:
LR-II-006

Objektbezeichnung:
Braunkohle-Tagebaurevier mit rekultivierter Folgelandschaft

Digitalisierte Flächengröße:
21559.4244 ha

Beschreibung:
Zwischen Bad Godesberg im Südosten und Frimmersdorf im Nordwesten verläuft die
Ville, ein insgesamt über 50 km langer Höhenzug zwischen der Jülicher und Zülpicher
Börde im Westen und der Köln-Bonner-Rheinebene im Osten. Die (natürliche,
ursprüngliche) Scheitellinie des Ville-Höhenzuges fällt von über 160 m üb. NN bei
Weilerswist über 139 m bei Hürth, 110 bei Bedburg auf bis zu 98 bei Frimmersdorf von
Süden nach N ab. Geologisch stellt die Ville eine Hochscholle dar, deren tertiäre
Sedimente von den fluviatilen Bildungen der altpleistozänen Rhein-Hauptterrassen
überlagert werden. Innerhalb der Ville lagerten und lagern mächtige Braunkohleflöze, die
großflächig im Tagebaubetrieb abgebaut wurden und werden.
Der Landschaftsraum umfasst den durch den von Süden nach Norden wandernden
Braunkohle-Tagebau vollkommen umgestalteten größten Teil des Ville-Höhenzuges
innerhalb des Erftkreises. Im Süden der Ville zwischen Brühl und Kerpen südlich der
B 264 ist der Tagebau bereits abgeschlossen. Im Zuge der Renaturierung sind intensiv
landwirtschaftlich genutzte Flächen, ausgedehnte neue Wälder und große, gestaltete
Abgrabungsgewässer entstanden. Der Landschaftsraum nördlich von Kerpen wird
geprägt durch ausgedehnte Abgrabungsflächen: Tagebau Frechen, Tagebau Bergheim,
Tagebau Fortuna-Garsdorf und Tagebau Garzweiler-Süd. Die Tagebaugruben von
Frechen, Bergheim und Fortuna-Garsdorf nehmen den Abraum des 15 km entfernten
Tagebaus Hambach auf. Charakteristische Reliefelemente des Landschaftsraumes sind
die gestalteten und teilweise bepflanzten Abraumhalden mit gleichmäßigen
Böschungsneigungen und abgeflachter Krone. Die Erft, die am westlichen Hangfuß der
Ville verläuft, quert zwischen Bedburg (Erftkreis) und Grevenbroich (Kreis Neuss) das
Braunkohle-Tagebaurevier. Das im Zuge der Braunkohleförderung großflächig
abgesenkte Grundwasser wird über die Erft abgeführt.
Das ursprüngliche geologische Gebäude der Ville wird geprägt durch die Sand- und
Kiesablagerungen der älteren Warm- und Kaltzeiten der Rhein- Hauptterrasse. Diese
werden häufig von Schluffen überlagert. Als Folge der Abbautätigkeiten sind künstlichen
Aufschüttungen und Auffüllungen mit Kies, Sand, Ton, Schluff, Asche und Schlacke
entstanden. Die Neuböden sind überwiegend rekultivierte, lehmig-sandige Kiesböden.
Das Braunkohle-Tagebaurevier liegt in der milden, niederschlagsarmen Niederrheinischen
Bucht, gekennzeichnet durch mittlere jährliche Niederschlagshöhen von 650 bis 700 mm
auf, die nach Norden auf 700 bis 750 mm ansteigen. Das mittlere Tagesmittel der
Lufttemperatur liegt zwischen 9,5 und 10°C. In Abhängigkeit von der aktuellen
Bodennutzung weist das Lokalklima deutliche Unterschiede auf zwischen dem
Waldinnenklima der aufwachsenden Wälder im Süden und dem vegetationsfreien
Abbaugelände im Norden mit ungehinderten Wind- und Strahlungseinfluss. Die
rekultivierten Aufschüttungsflächen sind potenziell natürliches Wuchsgebiet des
Maiglöckchen-Perlgras-Buchenwaldes, stellenweise durchsetzt vom Flattergras-
Traubeneichen-Buchenwald auf lehmigen Böden.
Die Ville ist eine intensiv menschlich genutzte und gestaltete Landschaft mit hoher
Dynamik. Das im Zuge der Rekultivierung entstandene waldreiche Seengebiet zwischen
Brühl und Librar hat sich zu einem attraktiven Naherholungsgebiet für Bewohner der
Ballungsräume von Bonn und Köln entwickelt. Nördlich von Kerpen erstrecken sich
ausgedehnte Tagebau-Abbauflächen mit rekultivierten Halden. Zahlreiche
Abgrabungsgewässer sind herausragende biotische Regenerationsräume und
Trittsteinbiotope entwickelt.


2 Landschaftsentwicklung, Landschaftsbild

Objektkennung:
LR-II-006

Naturräumliche Zuordnung:
Ville (552)

Landschaftsentwicklung:
Keine Region in Nordrhein-Westfalen außerhalb der Ballungsräume hat innerhalb der
letzten 100 Jahre einen so tiefgreifenden Landschaftswandel erfahren wie die
"Braunkohlen-Ville".
Seit dem 18. Jahrhundert wurde die Braunkohle nur im Südrevier im Raum Liblar-Brühl in
vielen kleinen Tagebauen abgebaut. Zu Ende des 19. Jahrhunderts (zum Zeitpunkt der
Königl. Preuss. Landes-Aufnahme) lagen zahlreiche Bergbau-Gruben zwischen Brühl und
Bergheim verteilt. Sie umfassten jedoch jeweils nur wenige Hektar Abgrabungsflächen.
Zwischen Brühl und Bergheim erstreckte sich zu Ende des 19. Jahrhunderts der
ausgedehnte "Königl. Forstes Ville", an dem sich nördlich von Bergheim der Bethlemer
Wald anschloss. Der sich absenkende Ville-Höhenzug nördlich von Pfaffendorf war
offener, waldfreier Agrarraum.
Der bereits im 18. Jahrhunderts betriebene Braunkohle-Abbau hat im energiehungrigen
20. Jahrhundert eine enorme Dynamik erfahren. Ab 1950 erreichte der
Braunkohlebergbau das überwiegend landwirtschaftlich genutzte Nordrevier nördlich der
Bahnlinie Köln-Düren. Das hier lagernde mächtige Deckgebirge aus tertiären
Meeressanden, pleistozänen Sanden und Kiesen der Hauptterrasse des Rheins und aus
Lössablagerungen machte und macht auch heute noch enorme
Bodenmassenbewegungen erforderlich.
Aus dem Südrevier zwischen Brühl, Liblar und Frechen sind nach Abschluss des
Tagebaus wald- und gewässerreiche rekultivierte Folgelandschaften entstanden. Die
Waldbilder werden beherrscht von Forsttypen aus dominierenden Robinien, Grauerlen
und Pappeln, die als Vorwald für Eichen, Buchen und Ahorn dienen. Im Nordrevier
nördlich der Linie Kerpen und Frechen sind heute ausgedehnte und tiefe Tagebau-
Abbauflächen mit rekultivierten Halden landschaftsprägend.

Landschaftsbild:
Die neu gestaltete Rekultivierungslandschaft ist heute die waldreichste Region im Kreis Bergheim. Die wald- und wasserreiche Braunkohle-Folgelandschaft zwischen Brühl, Liblar und Frechen hat sich als Teil des Erholungsgebietes Kottenforst-Ville zu einem bedeutenden Naherholungsgebiet für Bewohner aus dem Großraum Köln und Bonn
entwickelt.
Im rezenten Braunkohle-Tagebaurevier sind die tiefen und weiten Abgrabungsflächen landschaftsbildprägend. Die rekultivierten Halden fallen als neue Relief-Elemente auf. Die
Größenordnung der Flächen und Maschinen beeindrucken Besucher. Die der Verstromung der Braunkohle dienenden Kraftwerke bei Frimmersdorf (Kreis Neuss) und ihre Abluftfahnen sind weithin sichtbar.


3 Leitbild, Ziele, Konflikte

Objektkennung:
LR-II-006

Konfliktbeschreibung:
Zentralen landschaftsraumspezifische Konfliktfelder sind:
- Flächeninanspruchnahme durch Braunkohle-Tagebau und Siedlungsflächenerweiterung,
- großflächige und nachhaltige Veränderung des gesamten
Landschaftswasserhaushaltes,
- weithin sichtbare Kraftwerksanlagen und Hochspannungsleitungen,
- starker Erholungsdruck auf die neu geschaffenen Abgrabungsgewässer

Leitbild:
Die im Zuge der Rekultivierung der Landwirtschaft zugeführten Flächen erfahren durch die Anlage von Klein- und Saumbiotopen eine landschaftsästhetische und ökologische Anreicherung. Große Teile der ausgebeuteten Abgrabungsflächen werden als ökologische Ausgleichsflächen gezielt für den Biotop- und Artenschutz hergerichtet. Zentrale Ziele einer ökologisch ausgerichteten Renaturierung sind die Schaffung standort- und naturraumtypischer Wälder und die Entwicklung naturnaher Stillgewässer. Die erhalten gebliebenen "Altwälder" des Landschaftsraumes werden als Naturschutzvorrangflächen geschützt und forstlich sensibel behandelt. Effektive Maßnahmen der Besucherlenkung ermöglichen ein weitgehend harmonisches Neben- und Miteinander von Erholungsnutzung und Naturschutz.

Ziel-Massnahmen:
- Wiederherstellung einer vielfältigen Agrarlandschaft im Rahmen der Rekultivierung durch Anlage von Saum- und Kleinbiotopen, Entwicklung störungsarmer Ökozellen mit eigendynamischer Entwicklung.
- Entwicklung naturnaher Abgrabungsgewässer als biotische Regenerationsräume und Trittsteinbiotope durch vielfältig und naturnah gestaltete Uferböschungen, Priorität der natürlichen Besiedelung und effektive Besucherlenkung.

Erhaltung, Optimierung und Entwicklung naturnaher Laubmischwälder durch:
- forstliche Behandlung als Naturschutzvorrangflächen unter Förderung des autochthonen Laubholzes,
- Erhöhung des Alt- und Totholzanteils,
- Umwandlung nicht-bodenständiger Forste in naturnahe Laubmischwälder,
- Förderung von Waldrandstrukturen (Waldmäntel und -säume),
- Einrichtung von Waldruhezonen durch Besucherlenkung.


4 Naturausstattung

Objektkennung:
LR-II-006

Klima:
planar bis kollines mildes Offenlandklima


5 Biotope, Leitarten

Objektkennung:
LR-II-006

Lebensraumtypen - Biotoptypen:
Eichenmischwald mit heimischen Laubbaumarten (AB3)
Abgrabungsgewässer (FG0)
ohne Zuordnung (OZ)


6 Verwaltungstechnische Informationen

Objektkennung:
LR-II-006

Objektbezeichnung:
Braunkohle-Tagebaurevier mit rekultivierter Folgelandschaft

Digitalisierte Fläche (ha):
21559.4244 ha

Höhe über NN:
min. 100 m, max. 141 m

Literatur:
Bundesamt für Naturschutz, 1997 (Naturschutzfachliche Leitbilder)
Glässer, 1978 (Die naturräumlichen Einheiten auf Blatt 122/123 Köln-Aachen)
Geologisches Landesamt Nordrhein-Westfalen, 1972 (Bodenkarte von Nordrhein-Westfalen 1: 50000, Blatt L 5106 Köln)
Geologisches Landesamt Nordrhein-Westfalen, 1986 (Geologische Karte von Nordrhein-Westfalen 1: 100000, Blatt C 5106 Köln)
Trautmann, 1973 (Vegetationskarte der Bundesrepublik Deutschland 1: 200000 - potentielle natürliche Vegetation- Blatt CC 5502 Köln)

Hinweis:
Erstaufnahme (2002)

Bearbeitung:
(Datum fehlt), Kartier-, Planungsbüro

Allgemeine Bemerkungen:
ARBEITSPLANUNG:
Fachbeitrag des Naturschutzes und der Landespflege
für den Bereich Köln (K-LEV-BM-GL-GM);



öffentlicher Report generiert: 13.03.2023 12:08:10    domainobjectid: 2199845    Edate: 27.10.2010